Trauerjahr

Trauerjahr für Hinterbliebene

Die Trauerzeit durch das Trauerjahr (anno luctus) exakt festzulegen, ist rechtlichen Gründen geschuldet und erlegt den trauernden Hinterbliebenen – insbesondere der Witwe – eine pietätvolle Lebensweise für ein Jahr auf. Ein Trauerjahr mit Verzicht, schwarzer Kleidung und Zurückhaltung.

Trauerjahr – Gefängnis oder Bewältigung?

Schon immer empfand ich dies als Bürde, zugleich jedoch auch als eine mögliche Befreiung aus der Trauer. Mit Ablauf des Trauerjahres sollen Hinterbliebene wieder zurück in die Normalität kehren. Heißt das, dass wir als Hinterbliebene bis dahin nicht mehr lachen werden?

Ich vergleiche den Zustand der Trauer als eine Art Trauergefängnis. Einerseits trauern wir Hinterbliebenen nach einem Todesfall ohnehin. Andererseits stehen wir als Hinterbliebene mitten im Leben. Der Alltag holt uns schnell ein. Erst recht, wenn man Kinder hat oder arbeiten muss. Die Rückkehr in das „normale“ Leben muss meist recht schnell erfolgen – ob man dazu bereit ist oder nicht.

Rechtliche Bedeutung: Was hat es mit dem Trauerjahr auf sich?

Ein Jahr im offiziellen „Trauerstatus“ steht Hinterbliebenen bevor. So schreibt es das Trauerjahr vor, das im BGB geregelt wurde. Hierdurch bestand der Gesetzgeber auf die Einhaltung und verbot dadurch der Witwe das vorzeitige Eingehen einer neuen Ehe. Bis zur Wiederverheiratung musste eine Witwe wenigstens ein Jahr nach dem Tod ihres Ehemannes warten.

Dies trug jenem Rechnung, dass die Hinterbliebene nicht von ihrem verstorbenen Mann ein Kind erwarten würde. Auch, wenn diese Gesetzgebung heute keine Gültigkeit mehr besitzt, zeigt der gültige § 1592 BGB die zumindest rechtliche Bewandtnis des Trauerjahres.

§ 1592 BGB regelt die juristische Vaterschaft, die nämlich dann Rechtskraft entfaltet, wenn ein Kind innerhalb der Ehe geboren wird. Unabhängig der biologischen Vaterschaft gilt zunächst der Ehemann als Kindsvater und dies kann unter bestimmten Vorraussetzungen auch noch bis zu einem Jahr nach rechtskräftiger Scheidung der Fall sein.

Dies zeigt die Problematik sehr deutlich, weshalb man beim Trauerjahr zu entsprechender rechtlicher Handhabe gefunden hat. Es sollte so die Vaterschaftsklage zugunsten eines Kindes geklärt werden können, das durch die Vaterschaft Erbansprüche sowie Halbwaisenansprüche haben oder auch nicht haben könnte.

anno luctus – Zeit für Trauerbewältigung

Das juristische Trauerjahr, welches übrigens schon seit den alten Römern Bestand hatte, geht einher mit der gesellschaftlichen Erwartungshaltung, wie Hinterbliebene sich im ersten Jahr nach einem Todesfall zu verhalten haben.

Schwarze Kleidung, Trauerflor und sittsames Verhalten sollen den Status Witwe bzw. Witwer sowie den Zustand der Trauer bekräftigen.

Für die Trauernden selbst kann diese gesellschaftliche Verpflichtung Segen und Fluch zugleich sein. Die Gesellschaft erlegt auf, dass man in der im gesamten Trauer zu bleiben hat. Jedoch kann das Enden des Trauerjahres auch dazu beitragen, wieder ins Leben zurückzufinden und vom schmerzlichen Verlust mehr Abstand gewinnen zu können.

Heute ist die Erwartungshaltung an Trauernde aufgeweicht und die Gesellschaft billigt Hinterbliebenen zu, sich nicht mehr an die alten Traditionen halten zu müssen. So hat sich im Laufe der Jahre eine weniger bedrückende Situation für Hinterbliebene entwickelt, die es mitunter leichter machen kann, loszulassen – wann immer man dazu bereit ist.

Brauchen wir ein Jahr Trauer?

In den Weiten des Internets habe ich eine sehr schöne Ergänzung zu anno luctus (lateinisch: Trauerjahr) gefunden: Dies levat luctum.

„Die Zeit lindert den Schmerz.“

Wir brauchen keine juristisch oder gesellschaftlich abgesteckten Grenzen, um „richtig“ oder „ausreichend“ zu trauern. Dort, wo der Tod eines geliebten Menschen eine schmerzende Wunde gerissen hat, wird niemals mehr alles so, wie es vorher war.

Der Schmerz bleibt in uns, aber er wird Teil von uns. Zwar überwinden wir niemals den Verlust. Jedoch lernen wir, trotz und mit ihm das Leben zu meistern. Ob wir uns nun selbst der Tradition folgend das Trauerjahr als zeitlichen Rahmen gewähren, Schwarz zu tragen oder ob wir länger, kürzer vielleicht auch gar keine Trauerkleidung anziehen.

Eine neue Partnerschaft ist für mich undenkbar. Nicht, weil ich mich als Witwe im anno luctus befinde. Dennoch nehme ich Abstand davon, mich an ein Trauerjahr und somit an die gesellschaftlichen Erwartungshaltung gebunden zu binden, die immer noch in vielen Köpfen manifestiert ist.

Nicht, weil es mir schwer fiele, ein Jahr „formell“ Trauer zu zeigen. Sondern weil kein äußerer Rahmen zum Ausdruck bringen könnte, was ich empfinde. Trauer und Trauerbewältigung finden im Inneren statt und haben jedes Recht, so gestaltet und verarbeitet zu werden, wie wir als Hinterbliebene es wollen und können.

Diskrepanz von Pietät und Lebensfreude

Viele Hinterbliebene fühlen sich unsicher. Was ist „erlaubt“ im Trauerjahr, was nicht? Darf man im Trauerjahr mit alten Traditionen brechen, die uns dran binden, Schwarz zu tragen, nicht zu tanzen, nicht zu lachen? Keine fröhliche Musik zu hören? Ich finde ja.

Wir wahren nicht dadurch Pietät, dass wir Schwarz tragen, ein Jahr lang nicht lachen oder tanzen und uns keinen Funken Lebensfreude gewähren. Pietät ist für mich ein ohnehin wenig wertvoller Begriff. Er wird abgeleitet vom lateinischen pietas, was mit „Frömmigkeit“ und „Pflichtgefühl“ übersetzt wird und den Menschen einen respektvollen Umgang abverlangt.

Trauernden Hinterbliebenen muss man nichts abverlangen!

Sie können nicht pietätlos handeln. Auch dann nicht, wenn sie in den Alltag und in die Lebensfreude zurückfinden. Mit dem Verlust eines geliebten Menschen, sei es der Mann, die Frau, das Kind, ein Elternteil, Bruder oder Schwester, verändert sich unser Leben. Freude und Trauer wohnen nun in uns und beides sind Teile von uns, die miteinander vereint existieren werden.